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Barbies in Deutschland - die ersten Jahre - Teil 8 - Schatzkiste 2 -

Aktualisiert: 3. Mai

Dieser Beitrag nimmt den Faden an der Stelle auf, an der der vorhergehende Blogbeitrag endet und beginnt mit dem Sonderdruck „Kinder sind anders“ aus der Zeitschrift „Führungspraxis“ Nr. 1/1967 ("2. Folge einer Marketing-Serie"), welcher der im Beitrag Teil 7 bereits beschriebenen Händlermappe beiliegt. Autorin: Karin Mönkemeyer.


 

Kinder sind anders




Karin Mönkemeyer beschreibt Details der erfolgreichen "Mattelschen" Marktforschung und klärt darüber auf, weshalb Eltern und Verwandte doch lieber die teuren Barbiepuppen verschenken, als zu den günstigen Imitaten zu greifen:


 

Oma kauft ein Geschenk oder: Der Wunsch des Kindes ist Befehl


Wortreich beschreibt Frau Mönkemeyer, wie eine Dame um die Sechzig in der Spielzeugabteilung von Karstadt in Hamburg gezielt nach einer Barbiepuppe sucht. Als sie sie schließlich gefunden hat, betrachtet sie sie genau und erwähnt seufzend ihren Preis: 11 Mark 90! Obwohl sie sich auch die „namenlosen Barbie-Imitationen“ im Regal darunter anschaut, die nur 2 Mark 90 kosten, entscheidet sie sich letztendlich doch für die teure Barbiepuppe.


Die Autorin spricht sie an und fragt nach, weshalb sie nicht die günstige Puppe gekauft hat, und die Dame antwortet: „Ja, wissen Sie, es sollte eben Barbie sein. Meine Enkelin ist dreizehn, und ihre Freundin hat auch diese Barbies“. Auf weiteres Nachfragen, ob sie die Barbie auch gekauft hätte, wenn die Enkelin nicht darauf bestünde, lehnt die Dame vehement ab und verweist auf die Regale mit den Babypuppen. Aus diesem Regal hätte sie persönlich lieber etwas ausgesucht. Und sie schimpft darüber, dass die Enkelin, anstatt selbst Kleidung für ihre Barbiepuppe zu nähen, lieber die zugehörigen Modesets haben möchte.


Ich habe mich schon oft gefragt, weshalb Mattel damals nicht juristisch gegen die Firmen vorgeht, die Barbie Imitationen herstellten. Manche dieser Puppen sehen so aus, als hätte der Hersteller seine Produkte direkt an einer Orginalvorlage geformt. So gibt es Skipper, Skooter und Ricky Klon Puppen billigster Machart, die aber den Originalen wie aus dem Gesicht geschnitten sind. Auch Barbie selbst und die anderen Familienmitglieder und Freunde ereilt das gleiche Schicksal. Das Nicht-Vorgehen macht aber Sinn, wenn man die Klonpuppen nicht als Konkurrenten sieht (was sie ja auch offensichtlich aufgrund des Qualitätsnachteils gegenüber den Originalen nicht sind), sondern als Turbo für den Verkauf der eigenen Produkte.


Denn durch die Klonpuppen wird offensichtlich, was die Produkte von Mattel aus dieser Zeit von ihnen abhebt: ihre Qualität. So wird die Investition in ein teures Spielzeug gerechtfertigt. Und wollen nicht alle Eltern das Beste für ihr Kind, vor allem, wenn es sich durch den Besitz eines Originals nicht vor anderen Kindern blamiert? Ein weiterer Marktvorteil für „echte Barbies“ ist zu dieser Zeit sicher auch noch die Beinstellung der Puppen. Hierzu kann man im Blog Beitrag über Bild Lilli mehr erfahren.


Das Fazit der Autorin lautet: Zwar ist den Erwachsenen Barbie als Spielzeug immer noch zu erwachsen, „sexbetont und kess“, die Kinder jedoch lieben dieses neuartige Spielzeug und Barbie ist 1967 bereits siegreich in die Kinderzimmer eingezogen. Sie erwähnt, dass die Barbiepuppe der Mattel Inc., Los Angeles in ihren bisherigen sieben Lebensjahren bereits sechzig Millionen Mal verkauft wurde.


 

Foto aus dem Sonderdruck "Führungspraxis" 1/1967. Zum Schmunzeln: Sämtliche Badeanzüge gehören nicht zu den Puppen, die sie tragen. Von links nach rechts: Blondes American Girl in 0850 Badeanzug, Bendable Leg Midge in American Girl Badeanzug, Skooter in Bendable Leg Skipper Badeanzug und Bendable Leg Skipper in Skooters Zweiteiler (dessen Oberteil sie auch noch verkehrt herum trägt):

Foto ohne Text aus dem Sonderdruck Nr. 1/1967

Die Welt der Barbie wächst und ist immer am Puls der Zeit


Die Welt der Barbie wird immer größer: Es gibt weitere Familienmitglieder und Freunde – auf dem US Markt bereits neun – und aktuelle Kleidungssets (im Text der Autorin „Modellkleider“ genannt) von alltagstauglicher Kleidung über Freizeit- und Hobbybekleidung, aber auch Abendgarderobe und Nachtwäsche sowie Zubehör. Ken und Allan werden auch erwähnt, die „mit Perücke und Gitarre … blitzschnell“ zu „einem waschechten Beatle“ werden. Mit „der Welt der Barbie“ kommt die „Traumwelt eines Teenagers in Kinderzimmer“.


 

Mama hat als Vorbild ausgedient


Frau Mönkemeyer betont, dass Kinder anders seien, „als manche Oma oder Mutti sie sich wünscht“. Mit Beginn des Schuleintritts seien sie vielen Einflüssen außerhalb der Familie ausgesetzt, und gehörten jetzt einer Schulgemeinschaft an, die sie beeinflusse. So hätten die kleineren Mädchen zum Beispiel Größere als Vorbild. Die Mutter habe als Vorbild bei der Zielgruppe der Barbiepuppen – nämlich den acht bis zwölfjährigen Mädchen – ausgedient.


Spielten diese vorher noch gerne und ausgiebig mit Babypuppen, so möchten sie jetzt im Spiel ihre neuen Vorbilder, nämlich Teenager, nachahmen.


In diesem Zusammenhang wird eine bekannte Puppenliebhaberin zitiert: Gabrielle Wittkopp. Es handelt sich hierbei vermutlich um die Schriftstellerin, Journalistin und Künstlerin Gabrielle Wittkop-Ménardeau, die 1962 zusammen mit ihrem Mann ein Buch mit dem Titel „Von Puppen und Marionetten“ herausbringt. Sie meint, es gäbe zwei wesentliche Frauentypen, und an der Art, wie ein Mädchen mit seiner Puppe spiele, könne man erkennen, zu welchem der Typen sie einmal neigen würde. Der eine Typ wäre der mütterliche Typ, der sich bereits als Kind anhand einer Babypuppe darin übt, „ein hilfloses Geschöpf … zu pflegen, zu schützen und zu tyrannisieren“. Der andere Typ sei das Mädchen, welches als „Ausdruck eines erwachenden Wunsches, bewundert und geliebt zu werden … unbewusst … mit ihren künftigen erotischen Erfolgen“ rechne. Ich lasse diese Aussagen lieber unkommentiert.


Fakt ist, das Mattel beide oben genannten Mädchentypen mit ihrem Sortiment bedienen kann.


Interessant ist auf jeden Fall, dass in diesem Artikel auch erwähnt wird, dass es in den vorausgehenden Jahrzehnten viel weniger als davor Puppen gibt, die erwachsene Frauen darstellen und die „zum Anschauungsunterricht für die werdende kleine Dame gedacht waren“. Bereits im Rokoko habe es solche Puppen gegeben, mit denen „Kinder wohlhabender Eltern“ für ihr Erwachsenendasein vorbereitet wurden. (Maria Sack im Tagesspiegel vom 28.11.1965).


 

"Mattel entdeckte die Lücke auf dem Spielzeugmarkt und tat damit den großen Sprung"


Diese Lücke im Spielzeugmarkt erkennt Mattel aufgrund ausgiebiger Forschung, stellt der Artikel fest.


Wie passt da die Geschichte ins Bild, die Frau Handler (die Mit-Firmeninhaberin von Mattel) überliefert, nämlich dass die Idee, eine Modepuppe für Teenager herzustellen, entstand, nachdem sie ihre Tochter Barbara (die dann auch Namensgeberin für Barbie – eigentlich Barbara Millicent Roberts) beim Spielen mit Papier-Anziehpuppen beobachtete. Denn hier stellt sich mir die Frage, ob denn die Geburtsstunde der Barbie wirklich im Kinderzimmer der Firmenmitinhaberin, Frau Handler, liegt.


Wird nicht immer wieder betont, wie herausragend die langjährige, von Mattel betriebene Marktforschung „direkt am Kind“ sei? Oder beginnt diese Marktforschung erst zu diesem Zeitpunkt und im Kinderzimmer der Handlers, und Ruth Handler legt durch diese geschilderte Begebenheit die Grundlage zu dieser Marktforschung?


 

Foto aus dem Sonderdruck "Führungspraxis" 1/1967

 

Zahlen und Fakten


Der nächste Abschnitt des Sonderdrucks befasst sich mit Zahlen und schildert die immense Umsatzsteigerung, die Mattel seit der Einführung der Barbie erreichen konnte. Diese sei aber nicht nur der Barbiepuppe, sondern auch den durchgeführten Rationalisierungsmaßnahmen, zu verdanken. In diesem Zusammenhang wird auf eine zentrale amerikanische Produktionsstätte an der Westküste hingewiesen. Dort wird mit Sicherheit sowohl die Bendable Legs Skipper mit U.S.A. Markierung hergestellt, als auch ein Ken mit derselben Markierung.


Frau Mönkemeyer geht hier im Detail auf die Barbie Imitationen ein, die in den fünf vorausgehenden Jahren in den USA auf den Markt gekommen sind. Seien es zuerst 11 Nachahmer gewesen, so gäbe es jetzt nur noch einen. Auch zu Beginn hätten alle Imitationen zusammen nur etwa 30 % des Umsatzes von Barbie erreichen können. Auch in Kanada und Frankreich sähe es ähnlich aus.


Der Mannequinpuppe Jenny aus Italien (deren Mode vom damaligen Modekönig Emilio Schuberth designt wird) wird jedoch eine gute Nachfrage bescheinigt und auch die Schildkröt AG (vorm. Rheinische Gummi- und Celluloidfabrik) wird mit ihrem Vorhaben, eine Konkurrenz für Barbie auf der nächsten Spielzeugmesse in Nürnberg zu präsentieren, erwähnt. Wir erinnern uns: Die Rheinische Gummi- und Celluloidfabrik ist die Firma, die Barbie im Auftrag von Mattel in den Vorjahren auf dem deutschen Markt vertritt, bis Mattel die deutsche Tochtergesellschaft gründet. Bei der im Artikel genannten Barbie-Konkurrenz aus dem Hause Schildkröt handelt es sich sicher um die Modepuppe Gaby mit ihrer Freundin Kessy und der kleinen Schwester Babsy, die ich im Teil 2 des Blogs bereits erwähnt habe.


Wer mehr zu Jenny erfahren möchte, der findet einen höchst interessanten Artikel vom 4.5.1965 im Spiegel online, Rubrik Kultur, in dem auch Barbie erwähnt wird:


 

Leitlinien Mattelscher Produktplanung


Als Vorteile gegenüber der Konkurrenz werden folgende „Leitlinien Mattelscher Produktplanung“ genannt:


Die „1. Leitlinie Mattelscher Produktplanung“, nämlich das Ergänzungsspielzeug. Wo immer möglich, wird Ergänzungsspielzeug produziert und damit werden „Welten“ aufgebaut, „in die sich das spielende Kind hineinversetzen kann“. Als Paradebeispiel wird hier konkret „die Welt der Barbie“ aufgeführt. Von 82 Seiten im Spielzeugkatalog nimmt sie 25 in Anspruch. Durch das laufend erweiterte und ergänzte Angebot wird die Kundschaft gebunden und das bedeutet auch, dass die Konkurrenz, die meist nur wenige (oder gar keine) Zubehörteile anbietet, für die Konsumenten viel weniger interessant ist.


Die „2. Leitlinie Mattelscher Produktplanung“, nämlich „real action toys“, auf Deutsch: „realistisches Aktionsspielzeug“. Basierend auf der Feststellung, dass Kinder möglichst mit Dingen spielen möchten, die der Realität nahekommen.


 

Wie entsteht eigentlich ein Mattel-Produkt?


Diese Frage wird ebenfalls im „Sonderdruck Führungspraxis“ erörtert und von mir in ein paar Sätzen zusammengefasst:


Vom ersten Entwurf bis in die Regale vergehen ungefähr sechs bis achtzehn Monate. Zuerst werden die Produktideen entwickelt und dem „Product Planning Commitee“ vorgestellt (dem „Produktplanungskommittee“). Dort wird die Idee besprochen und sollte sie genehmigt werden, wird die „Research and Design Group“ (die „Forschungs- und Designgruppe“) damit beauftragt, an der Realisierung des Produkts zu arbeiten und ein sogenantes „Arbeitsmodell“ herzustellen. Mit „Arbeitsmodell“ ist der unter Sammlern bekannte und benutzte Begriff „Prototypgemeint.


Im Anschluss werden „Kindertests“ und Marktforschung betrieben. Das „Test-Kinderzimmer“ befindet sich in der Nähe der Designer. Dort werden Kinder zwischen Zwei und Zwölf durch Spiegel, die nur von der Beobachter-Seite aus durchsichtig sind, beim Spiel beobachtet. Aber auch in „streng ausgewählten Haushalten“ dürfen Kinder mit den Prototypen spielen und werden dabei gefilmt.


Bereits zu diesem Zeitpunkt werden schon Kostenanalysen durchgeführt und Verpackungen entworfen. Die tatsächliche Produktion des Entwurfs und die Qualitätsprüfung übernimmt die Abteilung „Forschung und Entwicklung“. Zu diesem Zeitpunkt steht bereits die Marketing Strategie und „Streupläne“ sind schon vorhanden. Nach Bewilligung der Kosten (Promotion- und Marketingkosten sowie Produktionskosten) werden die für die Produktion benötigten Werkzeuge entworfen und hergestellt und die „Herstellungsverfahren und Fließvorgänge geplant“. Noch eine weitere Abteilung ist beteiligt: Die „Marketing-Gruppe In- und Ausland“ kümmert sich um die Verkaufsprogramme.


Ich habe diese Informationen in folgendem Diagramm zusammengefasst:


Von der Idee zum Produkt in 6 - 18 Monaten


Leider wird nicht näher ausgeführt, wie genau beziehungsweise an welcher Stelle die Ergebnisse aus den „Kindertests“ Einfluss auf das spätere Endprodukt haben. Darüber mehr aus erster Hand zu erfahren, wäre natürlich gerade für Sammler interessant. Es ist jedenfalls bekannt, dass Mattel zum Beispiel auch Verpackungsmuster (Packaging Samples) zusammenstellt: Kleidungssets, die sich vom Stoff her und teils auch vom Zubehör unterscheiden. Massenproduziert wird dann meist nur eines davon, es gibt aber durchaus auch massenproduzierte Kleidungssets, die sich durch eine kleine Variation (die wahrscheinlich einem Engpass bei den ursprünglich ausgewählten Materialien zu schulden ist) unterscheiden. Dasselbe gilt auch für die Barbiepuppen. Manche dieser Verpackungsmuster kommen auch hinterher in den Verkauf.


Das „Verständnis für das Kind, verbunden mit einem sicheren Gefühl für Marktlücken“ wird im Sonderdruck als ein wichtiger Teil des Erfolgsgeheimnisses der Mattel Produkte genannt – zusammen mit Werbung und eben den oben geschilderten „Leitlinien Mattelscher Produktplanung“.


Als Beweis für den Erfolg der Werbungsstrategie, direkt beim Kind anzusetzen, dient natürlich auch die Beschreibung der vorher genannten Situation, in der die Oma lieber eine teure Barbiepuppe für ihr Enkelkind kauft, bevor sie ihr eine günstige Imitation in Form einer namenlosen Modepuppe oder eine von der Oma selbst bevorzugte Puppe, wie eine Babypuppe, unter den Gabentisch legt. Aus der berechtigten Angst heraus, das Kind würde sich über eine andere Puppe nicht freuen oder den Spielkameraden gegenüber einen Nachteil haben.


Ich persönlich kann das aus eigener Erfahrung absolut nachvollziehen. Ich denke hierbei wieder an mehrere Anlässe, die sich in meinem oder dem Kinderzimmer meiner Spielkameradin Gitta zugetragen haben: Ihr „Bedauern“, dass ich ja nur eine Kelley und eine Chris besitzen würde, im Gegensatz zu ihr, die eine „echte Barbie“ und eine „echte Tutti“ besäße. Ich stelle mir als Auslöser hierfür folgende Situation vor: Die Eltern fragen ihre Tochter, welche Puppen denn ihre Freundin immer zum Spielen mitbringt. Sie sind stolz darauf, der eigenen Tochter (die eines von vier Kindern ist) ermöglichen zu können, mit einer „echten Barbie“ zu spielen. Kelley und Chris kennen sie nicht und nehmen an, das wären andere Modepuppen – vermutlich billige Imitationen. In meinem Fall hat mich das Verhalten meiner Freundin zwar irritiert, weil ich mir nicht vorstellen konnte, was dahintersteckt. Die Freude an meinen Puppen hatte mir das zum Glück nicht genommen. Ich war ja auch mit meiner Kelley und meiner Chris überaus glücklich, denn mir haben diese Barbiepuppen persönlich viel besser gefallen, als Barbie und Tutti. Aber wie geht es damals denjenigen Kindern, die tatsächlich eine Barbie Imitation besaßen, und deshalb von anderen Kindern aufgezogen wurden?


 

Foto aus dem Sonderdruck "Führungspraxis" 1/1967

 

Mattels Werbung und PR setzen beim Kind an


Im Artikel des Sonderdrucks findet man einen Absatz, den ich in diesem Zusammenhang bezeichnend für die Erfolgsgeschichte der Barbie halte: „Mattel brach mit der lieben Gewohnheit, vor allem beim Erwachsenen zu werben, weil sie die Spielzeugkäufer sind. Vielen Eltern ist kindlicher Wunsch Befehl, …“ „Mit Spielzeug möchte man Freude machen. Freude macht man, wenn man einen Wunsch erfüllt.


Als direktes Mittel der Werbung bei Kindern werden Fernsehspots in Kindersendungen genannt und man bedauert, dass dies in Deutschland aufgrund der festen Werbezeiten, die leider außerhalb der Kinderprogramme liegen würden, nicht möglich sei. In deutschen Fernsehspots müssten also hauptsächlich Eltern angesprochen werden, da die Werbung nur zu Sendezeiten ausgestrahlt werden kann, in denen diese vor dem Fernsehgerät sitzen. Aber auch Abendsendungen, an denen die ganze Familie anwesend ist, und über die man die Kinder erreichen könnte, werden als Möglichkeit für Fernsehspots genannt.


Eine überregionale Kinderzeitung für die Anzeigenwerbung gäbe es nicht. In dieser Hinsicht kommt Mattel die im letzten Blog-Beitrag geschilderte Tatsache sehr entgegen, dass es in Deutschland ab Februar 1967 eine Mädchenzeitung geben wird, in der gerade Barbie Themen platziert werden können.


Als besonders effektiv für die Werbung direkt beim Kind wird die Auslage von Prospektmaterial beim Fachhandel angesehen. Das erklärt, warum es in den ersten Jahren in Deutschland einige heftgroße Prospekte gibt, die man glücklicherweise auch heute noch immer einmal wieder finden kann, und die in meinem Blog Beitrag 3 zu sehen sind.


Als eine der effektivsten PR-Aktionen werden von der Autorin des Sonderdrucks die Barbie-Clubs genannt, die beispielsweise in den USA zu diesem Zeitpunkt schon als zweitgrößte Mädchenorganisation etabliert sind. In Deutschland startet nach Angaben im „Sonderdruck Führungspraxis“ am 1.10.1965 der Barbie-Club mit Rex Gildo als Aushängeschild. Zu diesem Zeitpunkt soll es in Deutschland nach Angaben von Mattel etwa 100 000 Barbiefans geben, und etwa 500 000 in Westeuropa.




Die Zentrale der europäischen Barbie-Clubs liegt in Amsterdam. Die Barbie-Fans werden in Anzeigen und Prospekten dazu animiert, lokale Clubs zu gründen und in Amsterdam anzumelden. Im Gegensatz zur Klubmitgliedschaft in den USA, die einen Dollar Jahresbeitrag kostet, ist die Mitgliedschaft hier kostenlos. Als Klubmitglied erhält man eine Klub Urkunde, Anregungen für Klub-Veranstaltungen, Spiele und Partys und natürlich Informationen über Barbie Neuheiten.


 

Damit endet meine Zusammenfassung des an Spielwarenhändler gerichteten Anschreibens und des Sonderdrucks aus „Führungspraxis“. Man sieht am immensen Aufwand und detaillierten Inhalt der Händlermappe, wie Mattel auch hier viel Zeit und Geld in Marketing investiert.


Für mich war es eine riesige Aufgabe, den Inhalt zusammenzufassen (ja, er ist tatsächlich zusammengefasst!) und in Relation zu bereits Bekanntem zu setzen.


Deshalb ist es jetzt erleichternd, dass nur noch der Pressespiegel, der der Infomappe ebenfalls beiliegt, zu erwähnen ist, um das Ganze abzurunden. Es lohnt sich auch für den Leser, bis zum Schluss „durchzuhalten“.


 

Presse- und Fernsehspiegel





Der der Händlermappe beigefügte Presse- und Fernsehspiegel der Mattel GmbH umfasst ein Titelblatt und drei Seiten, vollgespickt mit in Deutschland erschienenen Zeitungsartikeln. Leider ohne Nennung der konkreten Zeitung oder Datum. Die Artikel sind nie vollständig abgebildet und es ist nicht einfach, sich da durchzulesen und relevante Informationen herauszupicken.


Viele Artikel befassen sich mit den Umsatzzahlen der Firma Mattel, mit ihrem konsequenten Marketing und dem bisherigen internationalen und deutschen Markterfolg. Die Produktentwicklung, die direkt am Kind und an dessen Wünschen ansetzt, ist ebenfalls Thema. In diesem Zusammenhang wird auf das in Deutschland etablierten Spielzeug verwiesen, welches eben meist am Kind vorbei entwickelt und produziert würde.


Diese Themen sind alle nicht neu, wenn man den Inhalt des Informationspakets für Händler kennt. Extrem interessant sind jedoch die Zeitungsartikel, die sich mit der Aufnahme der Produktion in Deutschland befassen (das wurde bereits im Blog Beitrag Nr. 2 erwähnt). Wird in einem Artikel ausgeführt, dass Mattel sich auf einer Pressekonferenz nicht dazu äußern wolle, was genau in Babenhausen hergestellt werden soll, so behauptet ein anderer, dass es sich auf jeden Fall nicht um Barbies handeln könne, denn diese würden ja günstig in Japan produziert. Mehrere Artikel nennen als Produkte, die in Deutschland hergestellt werden sollen, „Spielzeug aus dem 1967er Programm“. Es solle der deutsche und europäische Markt mit Spielsachen aus Babenhausen beliefert werden. Andere Zeitungsautoren jedoch meinen zu wissen, dass im Mittelpunkt der Fertigung die weltbekannte Puppe Barbie stehe.


 

Rückseite Mattel Informationsmappe für Händler, 1967


Viele offene Fragen wurden jetzt sicher beantwortet, und wir haben interessante Informationen zu Themen erhalten, von denen wir noch nichts oder nicht viel wussten. Aber diese Händlerinformationsmappe wirft auch neue Fragen auf.


Die Fragen, die mir wirklich unter den Nägeln brennen, sind folgende: Was genau wurde in Babenhausen tatsächlich hergestellt? Falls dort Barbies produziert wurden, welche waren es?


Ich hoffe, dass mir diese Fragen irgendwann einmal beantwortet werden. Sollte ich das in Erfahrung bringen, werde ich meine Informationen natürlich wieder mit euch teilen.

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