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Bild Lilli und Barbie

Aktualisiert: 12. Nov.

Große Lilli in einem Kleid mit Prym Knöpfen (kein Original Lilli Kleid)

Von 1952 bis 1961 erscheint der Bild Lilli Comic von Reinhard Beuthien in der Bildzeitung. Er hat einen solch bemerkenswerten Erfolg, dass eine Bild Lilli Puppe in Auftrag gegeben wird, die nicht als Spielzeug für Kinder, sondern als Gimmick für Erwachsene gedacht ist. Vorbild ist Mecki, das Stofftier der Firma Steiff, dessen Charakter ursprünglich aus einem Puppentrickfilm stammt und der als Comicstrip in der Programmzeitschrift Hörzu bekannt wird. Mecki, der Igel ist ein großer Verkaufsschlager.


Bild Lilli ist von 1955 bis 1964 auf dem Markt.


Zuerst wird sie über Max Frank vertrieben, danach (ab 1959) über die Puppenfabrik Maar beziehungsweise 3M aus der Nähe von Coburg. Die Firmeninhaberin der Puppenfabrik Maar – Martha Maar - ist die Schwiegermutter des Herstellers der Puppe, dem Spielwarenfabrikanten Hausser beziehungsweise der Greiner & Hauser GmbH (bekannt für Elastolinfiguren), mit Firmensitz ebenfalls in der Nähe von Coburg. Für Bild Lilli wird aber kein Elastolin, sondern Polystyrol verwendet. Sie wird von Hand bemalt.



Bild-Lilli Plakat der Firma Greiner & Hausser GmbH


3M ist auch für die Montage (das Zusammenbauen der Einzelteile) und fürs Bekleiden der Lilli zuständig. Frau Maar ist aber noch weiter am Erfolg der Bild Lilli beteiligt: Sie designt die durchsichtige Verpackungsröhre der Bild Lilli, in der sich unten der Ständer und die Aufschrift „Bild Lilli“ oder „Lilli“ (für den ausländischen Markt) befindet.


Weiterhin entwirft sie – beziehungsweise später dann ihre Tochter Magdalena - die Kleidung für Lilli, die von mehr als 20 Arbeiterinnen zusammengenäht wird und führt die Qualitätskontrolle durch. Die Kleidungsstücke sind mit Prym-Knöpfen versehen. Es werden mehr als 100 Kleidungsstücke für Lilli herausgebracht, auch Zubehörteile gibt es. Leider existiert kein Kleiderkatalog. Achtung! Nicht alle Kleider mit alten Prym-Knöpfen sind Original Lilli Modelle. Es gibt durchaus auch weitere Kleidung für Modepuppen, die mit diesen Knöpfen versehen ist.





Das Vorlagenmodell bzw. den Prototypen von Lilli erstellt Max Weißbrodt, der auch die bekannten Elastolinfiguren der Firma Hausser modelliert. Es wird gemunkelt, dass aufgrund der vielen kleinen Details zur Herstellung der Bild Lilli Form für den Kopf ein Zahntechniker hinzugezogen wird.


In Lillis Füßen stecken Metallstifte, damit man sie auf ihren mitgelieferten Ständer stellen kann. Für Barbie #1 wird dies 1:1 übernommen. Bild Lillis haben sternchenförmige Ohrringe, die - ebenso wie die Schuhe - fest mit dem Körper verbunden sind. Sie bekommt tatsächlich nie Ohrlöcher oder abnehmbare Ohrringe und Schuhe (s. Falschinfo in einem unten genannten Fernsehbeitrag).



Große Bild Lilli im Originalkleid (Rüschen am Halsausschnitt fehlen)


Bis 1964 werden ungefähr 130 000 Lillis verkauft, die es als kleine Puppe (ca. 18,5 cm groß, Einführungspreis: 7,50 DM) und als große Ausführung (30 cm groß, Einführungspreis: 12,00 DM – späterer Preis 19,90 DM) gibt. Andere Quellen sprechen von einer Gesamtauflage von um die 300 000 Puppen. Vielleicht handelt es sich bei der weitverbreiteten Mengenangabe von 130 000 nur um die großen Lillis?



Große Bild Lilli in original Outfit, Haarband und Zeitung sind ergänzt (Nachbildungen)


Die große Lilli trägt eine Bildzeitung unter einem Arm. Die kleine Puppe gibt es in mehreren Variationen: Eine sitzt auf einer Schaukel und kann an der Autoscheibe angebracht werden. Eine weitere wird - wie auch ihre große "Schwester" - in einer Plastikröhre, zusammen mit einem weißen Ständer angeboten. Meist hat Lilli blondes Haar, es gibt aber auch dunkelhaarige Puppen.




Kleine Lilli im Tennisdress (Racket nicht original)

Weiterhin gibt es noch eine Lilli als kleines Plastik-Maskottchen, die mit einem Saugnapf an der Autoscheibe befestigt werden kann.



Bild Lilli Figur mit Saugnapf


Lilli gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern und sogar in Übersee zu kaufen. "Bild Lilli" heißt sie dort allerdings nicht, sondern nur "Lilli".


 

Von Lilli zu Barbie


Der Überlieferung nach sieht Ruth Handler (Mitbegründerin der Firma Mattel) eine Bild Lilli im Jahr 1956 während eines Urlaubsaufenthalts in Europa (genauer: in der Schweiz) in einem Schaufenster. Sie ist hingerissen von der Modepuppe.


Ich nehme an, eines der Merkmale, welches Frau Handler besonders an ihr fasziniert, ist die Tatsache, dass Lillis Beine, wenn man sie hinsetzt, parallel zueinander platziert sind, und nicht nach außen gespreizt werden, wie bei den gängigen Modepuppen der Zeit. Die Lilli Beinstellung entspricht tatsächlich einem sittsamen "Teenager Model" viel eher. Gerade die Beinstellung ist aber patentiert, ebenso wie die Befestigung der Haare und die Befestigung des Kopfes.


Ruth Handler kauft ein paar Lillis und nimmt sie mit zurück in die U.S.A. Drei Jahre später, im Jahr 1959, präsentiert die Firma Mattel nach Lillis Vorbild eine Modepuppe auf der Spielzeugmesse in den USA.


Zu diesem Zeitpunkt besitzt sie die Rechte aber noch nicht. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb Barbie erst fünf Jahre später, nämlich 1964, in Deutschland und den meisten europäischen Ländern auf den Markt kommt, denn erst im Jahr 1964 gelingt es Mattel, die Rechte an Bild Lilli zu erwerben. Damals "für einen Apfel und ein Ei", es werden Zahlen zwischen 30.000 und 50.000 DM genannt. Daraufhin wird die Produktion der Bild Lilli Puppe eingestellt.



Barbie #2, 1959

 

Produktionsländer


Wird Bild Lilli noch teuer im Entstehungsland, nämlich Deutschland, hergestellt, produziert die Firma Mattel bereits günstig in Japan. In den Sechzigerjahren ist Deutschland eher ein Entwicklungsland, was die Herstellung und die Vermarktung von Spielsachen anbelangt.


Die Auslagerung der Produktion in günstige Produktionsländer ist ein Marktvorteil, den ausländische Spielwarenhersteller haben. Auch was Marktforschung und Werbung anbelangt, ist Deutschland weit hinterher.

 

Bild Lilli Imitationen, Hong Kong Lillis, und mehr


Im Zusammenhang mit der Barbiepuppe ist ja bereits bekannt, dass es von ihr auch viele billige Imitationen gibt. Aber auch die Vermarktung von Klonpuppen ist nicht erst seit Barbie gebräuchlich. Bevor es noch die erste Barbie gibt, werden die Bild Lilli Puppen fleißig kopiert. Es lohnt sich also, genau hinzusehen, bevor man an eine Klon Puppe anstelle eines Original gerät.


An dieser Stelle muss ich leider aufgrund der beschränkten Kapazität der Webseite die ehemaligen Infos über die Lilli Klone löschen. Als Beispiel hier noch ein Foto der Miss Seventeen:


 

Miss Seventeen (ca. 38 cm groß)

Quellen:


Barbie und ihre Freunde, Gabriele und Berthold Gertz, Verlag Marianne Cieslik, Jülich 1992, ISBN 3-921844-32-0


Bild-Lilli: Barbie vor der Barbiepuppe, veröffentlicht am 22.08.2018, Nicole Heineking https://www.vintage-flaneur.de/bild-lilli-barbie-vor-der-barbiepuppe/



Heute (24.02.23) habe ich im Nachtrag zu meinem Beitrag noch ein paar interessante Fernsehbeträge zur Bild Lilli gefunden:


Einen Beitrag vom 19.11.2022 in der ARD Mediathek (sehr interessant: Hier wird zum Beispiel auch gezeigt, wie eine Barbiepuppe ihre Haare bekommt): 19.11.2022 ∙ Barbies Mutter ist die "Bild-Lilli" aus Hamburg ∙ NDR)


Und einen Beitrag vom 11.07.2015 Kunst und Krempel ∙ Barbies deutsche Schwester ∙ BR Fernsehen (Achtung! Die Information bei 03:55 im Beitrag ist falsch, dass die späteren Lillis Ohrlöcher und abnehmbare Ohrringe und Schuhe hätten (vielleicht auch nur falsch ausgedrückt und damit war Barbie gemeint?):


Ich danke PB und Bruno B. für die Erlaubnis zur Verwendung ihrer Fotografien und PB ebenfalls fürs Fakten-Korrekturlesen und Beisteuern einiger Informationen


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